Den Tiroler Spitzenkoch Martin Sieberer kennt man. In Ischgl. In Tirol. Und weit darüber hinaus. Man ist fast schon versucht, ihn als die „graue Eminenz“ der „Tiroler Hoch-Kulinarik“ zu bezeichnen. Man hat nämlich tatsächlich Schwierigkeiten, sich an die Tiroler-Kochkunst ohne Martin Sieberer zu erinnern.

Sieberer ist schon lange im Geschäft. Er hat Großartiges für die Tiroler Küche geleistet und diese zu einem gewissen Grad internationalisiert, ohne in kulinarische Beliebigkeit abzurutschen. In Tirol und in Österreich wird Regionalität zwar großgeschrieben. Schöne Projekte wie die „Genussregionen“ oder die Bestrebungen der AMA belegen das. Sieberer hat allerdings etwas anderes, fast noch wichtigeres getan: Er hat die Tiroler Küche nicht nur per se interpretiert, sondern sie auch mit den Kochtechniken der ganzen Welt konfrontiert. Die Ergebnisse sind erstaunlich. Die Tradition der Tiroler Küche wird mit dem Können eines Weltkoches und dem Besten der ganzen Welt beleuchtet.

Wer im „Trofana Royal“ isst, bekommt also mehr als „nur“ gutes Essen serviert. Dort erhält man die perfekte Inszenierung eines kulinarischen Abends geliefert. Was sich auf dem Teller befindet schmeckt nicht nur herrlich, sondern sieht auch hervorragend aus. Manches gleicht einem Gemälde. Das Essen und das Gesamterlebnis eines Essens in der „Paznaunerstube“ wird zu einem kunstvollen Gesamtkunstwerk.

Es gibt also mehr als genug Gründe um den Tiroler Koch von Weltklasse einige grundlegende Fragen zu stellen.

Markus Stegmayr: Bei Ihren Gerichten hat man den unbedingten Eindruck, dass Sie nicht einfach „drauflos kochen“, sondern dass ganz handfeste Ideen und Konzepte dahinterstehen. Wie kommen Sie zu diesen Ideen und Konzepten, was genau inspiriert sie dazu?

Martin Sieberer: Eine gewisse Kreativität ist angeboren. Zudem inspirieren mich das ständige Erleben neuer Ideen und das Streben, meinen Gästen stets das Beste zu bieten.

Der Geschmack ist zwar vorrangig. Aber natürlich muss ein Teller auch optisch begeistern!
Der Geschmack ist zwar vorrangig. Aber natürlich muss ein Teller auch optisch begeistern!

Stegmayr: Das Thema Kulinarik ist ja nicht statisch, sondern entwickelt sich stets weiter. Wie schaffen Sie es, am Puls der Zeit zu bleiben, wie bilden Sie sich weiter?

Sieberer: Ich informiere mich natürlich ständig über neue Trends, Kochtechniken, Produktangebote. Das Wichtigste ist aber PROBIEREN, PROBIEREN, PROBIEREN!!!!

Stegmayr: Ihre Küche ist unverwechselbar. Wie haben Sie es geschafft diese eigene Linie und Handschrift zu finden? Bitte skizzieren Sie kurz ihre Laufbahn und schildern einschneidende Station in ihrer bisherigen Karriere!

Sieberer: Man kocht das, was einem am besten schmeckt – dadurch entwickelt man eine unverwechselbare Handschrift und schafft seine eigene Linie. Als junger Bursch – mit 15 Jahren –  wollte ich unbedingt kochen lernen und einmal so werden, wie meine großen Vorbilder: Hasi Unterberger, Werner Matt und Helmut Österreicher. Dieses Streben legte den Grundstein für meine Erfolgsgeschichte. Im In- & Ausland habe ich die tollsten Küchen erlebt und gewann einen wertvollen Eindruck vom Umgang der Küchenchefs mit ihren Mitarbeitern. In sehr vielen Beispielen sah ich, wie man es machen sollte, in einigen aber auch, wie nicht. Sowohl die positiven, als auch die negativen Erfahrungen haben mich geprägt – und jetzt kann ich mit vollstem Stolz behaupten, dass es für einen jungen Koch nichts Tolleres gibt, als in meiner Küche den Grundstein für eine erfolgreiche Laufbahn zu legen.

Wenn sich ein Gast für ein Essen in einem meiner Restaurants zwei bis drei Stunden Zeit nimmt, erlebt er einen unglaublichen Augen- und Gaumenschmaus.

Stegmayr: Wie stehen Sie zu gegenwärtigen „Kulinarik-Trends“? Verfolgen Sie diese und inspirieren Sie diese Trends für ihre eigene Kulinarik?

Sieberer: Ich schaue mir gegenwärtige Trends genauestens an und probiere diese gerne aus. Allerdings habe ich hier eine klare Linie: Trends, die nicht zu meinem Küchenstil passen, haben in meiner Küche auch nichts verloren.

Stegmayr: Wenn man vor ihren Tellern sitzt, dann gleichen diese Kunstwerken. Warum ist ihnen das „Teller-Design“ so wichtig, was möchte Sie damit zum Ausdruck bringen?

Sieberer: Das Wichtigste an einem perfekten Gericht ist der Geschmack. Aber man muss auch erkennen, dass man mit einem perfekt angerichteten Teller den Gast vom ersten Augenblick für sich einnehmen kann – und das hat für uns Priorität.

Stegmayr: Für gutes Essen mit mehreren Gängen braucht man Zeit. Warum sollte sich der Gast gerade Zeit für ein Essen bei Ihnen nehmen und was erwartet ihn?

Martin Sieberer: Wunderschön und schmackhaft: So lässt sich die Küche in der "Paznauner Stube" im Trofana Royal beschreiben.
Wunderschön und schmackhaft: So lässt sich die Küche in der „Paznauner Stube“ im Trofana Royal beschreiben.

Sieberer: Für ein Essen sollte man sich immer Zeit nehmen. Wenn sich ein Gast für ein Essen in einem meiner Restaurants zwei bis drei Stunden Zeit nimmt, erlebt er einen unglaublichen Augen- und Gaumenschmaus.

Stegmayr: Kulinarisch ist die Weihnachtszeit eine ganz besondere Zeit. Verraten Sie uns, wie das Weihnachts-Menü in diesem Jahr aussehen wird?

Sieberer: Für das Weihnachtsmenü habe ich mir etwas ganz Spezielles ausgedacht. Vom genauen Ablauf darf man sich gerne überraschen lassen. Ich sage nur so viel, dass es einige Highlights geben wird. Zum Beispiel Polentaravioli auf geschmortem Backerl mit weißem Albatrüffel. Oder auch den in Schwarzbierhonig glasierte Rehrücken mit Kastanien, Safran und Kohlsprossen. Selbstverständlich wird an diesem Tag auch die bewährte Weihnachtsbäckerei eine Rolle spielen! Ich denke also, dass das ein kulinarisch höchst interessanter und abwechslungsreicher Abend wird!

Die Revolution der Küche beginnt beim Bauern und Käser vor Ort, deren ausgezeichnete Produkte ich am Teller inszeniere.

Stegmayr: Sie sind ja dafür bekannt, dass sie die Tiroler Küche revolutioniert haben. Können Sie die Verbindung von Tirol und Welt beschreiben? Wie viel Tirol findet sich in ihrer Kulinarik, wie viel Welt?

Sieberer: Die Revolution der Küche beginnt beim Bauern und Käser vor Ort, deren ausgezeichneten Produkte ich am Teller inszeniere. 100% Tirol, wobei sich schon manchmal auch das ein oder andere Krustentier oder ein Salzwasserfisch in die Küche verirrt.

Stegmayr: Können Sie bitte einen „ganz normalen“ Alltag im „Trofana Royal“ beschreiben? Welche Rolle spielen Sie, wie viele Leute arbeiten in ihrem Team, wie genau entstehen die Gerichte – von der Idee bis auf den Teller?

Martin Sieberer: Hier wird viel Wert auf Geschmack UND Optik gelegt!
Hier wird viel Wert auf Geschmack UND Optik gelegt!

Sieberer: Die Zeit von der Idee bis zum fertigen Gericht am Teller kann lediglich zwei Tage, aber auch vier Wochen in Anspruch nehmen. Insgesamt arbeiten ca. 30 Köche an diesen Ideen und jeder wird aufgefordert, sich einzubringen. Meine Rolle ist 1. die Motivation, 2. die Organisation und 3. die Entscheidung, was wie, wann, wo und von wem genau passiert. Der Küchentag im Trofana Royal beginnt um 06:00 Uhr in der Früh und endet manchmal erst um Mitternacht.

Stegmayr: Es ist ja nicht immer leicht den richtigen Spagat zu finden. Welche Zielgruppe möchten Sie eigentlich genau ansprechen? Ist es Ihnen auch wichtig, in Sachen Gourmet „unvorbelastete“ Gäste mit ihrer Kulinarik zu begeistern? Wenn ja: Wie gelingt Ihnen das?

Sieberer: Eine besondere Herausforderung ist es, dem Gast stets sein Lieblingsgericht anzubieten und zu servieren. Von der Begrüßung zur Speisen- und Getränkeaufnahme durch den Servicemitarbeiter, bis hin zur Entscheidung, bei wie viel Grad das Fleisch gebraten oder wie viel Salz die Sauce braucht, liegt es in unserer Hand, immer den richtigen Weg zu finden, um die Gäste zu 100% zu begeistern. Mit Talent, Ehrgeiz und einem Hang zur Perfektion behaupte ich mit Stolz, dass uns das oftmals sehr gut gelingt.

Ein „unvorbelasteter“ Gast, der noch nie ein Gourmetmenü genossen hat, ist sehr leicht zu begeistern. Die Erwartungen von einem Gast, der weltweit die besten Restaurants besucht und viel Gourmeterfahrung mitbringt, zu übertreffen, ist in der heutigen Zeit die Herausforderung, die es zu erfüllen gilt. Nahe der Perfektion gelingt uns das in den Restaurants des Trofana Royal aber sehr gut!

Stegmayr: Herr Sieberer, vielen Dank für die Antworten und Einblicke!

Alle Bilder: (c) Paznauner Stube